Auf der Suche nach IT-Fachkräften
100.000 Euro Jahresgehalt als Software-Entwickler. Damit lässt sich hierzulande – trotz gestiegener Energiekosten – recht ordentlich leben. Im Großraum San Francisco aber, mit seinen gigantischen Lebenshaltungskosten, wo alleine für eine 2-Zimmer-Wohnung rund 4.000.- Dollar Miete hinzulegen sind, ist mit diesem Einkommen die Armutsgrenze bereits überschritten. Hier hat das Silicon Valley ganze Arbeit geleistet. Mit jährlich 500.000 Dollar Einkommen zählt man gerade mal zur Mittelklasse.
Wie ist so etwas möglich? Ein Blick über den großen Teich verschafft Klarheit. Die amerikanischen IT-Giganten benötigen dringend Fachkräfte und leisten sich bei der Suche praktisch jeden Preis. Dabei strecken sie ihre Fühler in alle Richtungen aus, auch nach Deutschland. Mit zwei Vorteilen: Zum einen ist seit Corona das Arbeiten im Homeoffice state of the art. Und gerade Software lässt sich bekanntlich ortsunabhängig entwickeln. Andererseits umgehen viele amerikanische Unternehmen die hohen Gehälter in den USA, indem sie mit für deutsche Verhältnisse attraktiven Gehälter und Boni locken. Schließlich ist Deutschland mit einem Durchschnittseinkommen für Software-Entwickler zwischen 80.000 und 90.000 Euro schon fast ein Billiglohnland. 150.000 Euro für eine IT-Fachkraft beispielsweise werden so zum Schnäppchen.
Das hat direkte Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hierzulande. Laut der Presseinformation der „bitkom“ vom 16. November 2022 fehlen in Deutschland nahezu 140.000 qualifizierte IT-Fachkräfte. Als Gründe werden insbesondere der demographische Wandel und die unzureichenden Möglichkeiten der Eingliederung ausländischer Fachkräfte genannt. Das bedingt, dass Deutschland die Zuwanderung von Ausländern mit Fachqualifikationen gezielter fördern müsse. Gefordert sei ein Zuwanderungsgesetz wie es beispielsweise Kanada hat, wo ausländischen Fachkräften ein langfristiges Bleiberecht eingeräumt wird.
Zwar gibt es seit März 2022 das sogenannte Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG), das den Zuzug von qualifizierten Fachkräften erleichtern soll. Bislang allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Kein Wunder also, dass sich in der Wirtschaft Unruhe ausbreitet. Laut einer aktuellen Umfrage des Deutsche Industrie- und Handelskammertag e.V. (DIHT) sehen 56 Prozent der Unternehmen im Fachkräftemangel ein Geschäftsrisiko.
Die Bundesregierung hat daher vor wenigen Wochen eine sogenannte Fachkräftestrategie beschlossen, mit der unter anderem die Einwanderung ausländischer Fachkräfte modernisiert werden soll. Diese Initiative tut not, denn rund jede zweite eingewanderte Arbeitskraft verlässt Deutschland nach einiger Zeit wieder. Außerdem: Während der Fachkräftemangel zunimmt – die Bundesregierung rechnet mit Zigtausenden unbesetzten Arbeitsplätzen –, werden gleichzeitig Arbeitsplätze abgebaut.
Auch Kritik am Bildungsniveau der Bewerbungen wird laut. Die zunehmende Zahl an Abiturienten verringert erfahrungsgemäß den Fachkräftemangel nicht. Grund: Die meisten studieren, nicht zuletzt, weil ihnen während der Schulzeit mangels Kenntnis der Lehrkräfte Wege in eine alternative Berufswelt verschlossen bleiben. Jetzt will die Bundesregierung mit der oben erwähnten Fachkräftestrategie die zeitgemäße Ausbildung und eine gezielte Weiterbildung fördern. Mit Projektwochen und den Schulfach „Berufliche Orientierung“. Ob und inwieweit die Kultusministerien der Länder dies umzusetzen in der Lage sein werden, wird die Zukunft zeigen. „Soforthilfe“ aber können die Unternehmen selbst leisten. Beispielsweise , indem sie den Irrglauben endlich über Bord werfen, dass nur Menschen mit Abitur qualifiziert sein könnten. Und dass Menschen ohne Hochschulabschluss automatisch weniger verdienen müssten.
Es müssen ja nicht gleich Gehälter wie in den USA sein, wie eingangs beschrieben. Letztlich aber wird man zur Kenntnis nehmen müssen, dass qualifizierte Fachkräfte nur bei ansprechender Bezahlung zu bekommen und zu halten sind und damit den Unternehmenserfolg sichern.